Was dich in der Erschöpfung festhält
Tiefe Erschöpfung und andere Symptome können stark dein Leben einschränken, du kannst das loslassen
AKZEPTANZ
Widerstand auf dem Weg der Heilung
Wenn wir uns von Erschöpfung erholen, kann sich Widerstand auf zwei Arten zeigen: Wir wehren uns entweder gegen die Praktiken, die uns eigentlich helfen sollen, oder wir wehren uns gegen die Symptome selbst. Beides hat denselben Ursprung: unser Nervensystem versucht, uns zu schützen.
Am Anfang meiner Genesung von der chronischen Erschöpfung habe ich viele Methoden und Techniken ausprobiert, die mein Nervensystem unterstützt und mir Ruhe geschenkt haben. Mit der Zeit merkte ich aber, dass ich immer öfter Widerstand dagegen verspürte – gegen genau diese Routinen, die mir eigentlich helfen sollten. Manchmal spürte ich nach einer Atem- oder Entspannungsübung keine unmittelbare Wirkung und fing an, ihren Sinn zu hinterfragen. Das ist völlig normal. Diese kleinen täglichen Handlungen sind wie Zähneputzen – du siehst den Effekt nicht sofort, aber sie halten dein Nervensystem im Gleichgewicht.
Am Anfang dachte ich, es sei nicht schlimm, mal einen Tag auszulassen. Aber das stimmt nicht: Ein Tag wird schnell zu zwei, und ehe man sich versieht, ist die ganze Routine verschwunden – die Routine, die einem eigentlich so gutgetan hat. Ich kann mal einen Tag aussetzen, aber es ist besser, wenn ich dranbleibe und mir bewusst mache, wofür ich dankbar bin. Diese Praktiken sind wie das Zähneputzen: nicht unbedingt das, worauf man sich abends freut, aber etwas, das uns stabil hält.
Diese innere Stimme, die sagt „Heute kannst du es ausfallen lassen“, ist keine Faulheit. Sie ist ein Schutzmechanismus des Körpers. Widerstand bedeutet nicht, dass du versagst. Er zeigt nur, dass sich dein Nervensystem mit den neuen Gewohnheiten noch nicht ganz sicher fühlt.
Diese Stimme will dich vor etwas bewahren, das sie für gefährlich hält. Doch das heißt nicht, dass es gefährlich ist – nur, dass es neu ist. Unser Gehirn liebt Vertrautes und will uns am liebsten in der Komfortzone behalten. Das kann frustrierend sein, aber so funktioniert es nun mal. Mit der Zeit können wir lernen, uns sogar an das Ungewohnte zu gewöhnen – einfach, indem wir es trotzdem tun. Irgendwann verändert sich die innere Haltung, und das Unangenehme wird leichter.
Mir hat vor allem geholfen, es einfach trotzdem zu machen – und in kleinen Schritten. Jeden Tag zu meditieren ist am Anfang schwer, aber fünf Minuten schafft man. Je regelmäßiger man übt, desto normaler wird es, und irgendwann kann man längere Einheiten machen, ohne dass es sich wie ein Kraftakt anfühlt.
Warum kann ich nicht einfach funktionieren?
Ein Gedanke, der mich oft begleitet hat, war: „Warum kann ich nicht einfach funktionieren, ohne Mittagsschlaf und Atemübungen machen zu müssen?“ Oder: „Warum brauche ich das überhaupt?“ Ich war wütend und enttäuscht, dass ich so viel tun musste, nur um halbwegs klarzukommen. Aber irgendwann wurde mir klar, dass diese Praktiken mich nicht klein hielten, sie halfen mir zu heilen. Sie haben mir beigebracht, auf eine gesündere Art mit mir, meinem Körper und meiner Seele umzugehen. Diese Routinen waren Geschenke, die mich jeden Tag ein Stück glücklicher und gesünder machten.
Warum es so schwer ist, das anzunehmen, was hilft
Ein großer Grund war, dass ich meinen Körper wie eine Maschine behandelt habe, die einfach funktionieren muss. Ich habe nicht gesehen, dass mein Nervensystem jahrelang unter enormem Stress gestanden hatte, ohne je wirklich zur Ruhe zu kommen. Die einzigen Momente, in denen ich mich wirklich entspannt fühlte, waren beim Body Scan oder bei Yoga Nidra.
Heute glaube ich, dass „normale Menschen“ entweder von Natur aus deutlich entspannter sind – oder gar nicht existieren. Ich hatte mich an einem erfundenen Ideal gemessen, obwohl ich schwere Belastungen erlebt hatte. Mein Körper, mein Geist und mein Nervensystem mussten erst wieder lernen, was Regulation bedeutet – jeden einzelnen Tag.
Dein Widerstand hält dich fest
Widerstand zeigt sich auch in Form von Frustration über die eigenen Symptome. Ein Satz, der mich sehr geprägt hat, lautet: „Was du bekämpfst, bleibt bestehen.“ Und das stimmt leider. Mit chronischer Erschöpfung zu leben, fühlt sich oft an wie ein Kampf, den man mal gewinnt und mal verliert. Man will einfach nur, dass es aufhört.
Annehmen, was weh tut, scheint völlig widersinnig. Aber genau das ist der Schlüssel: Echte Veränderung passiert erst, wenn man aufhört, gegen die Symptome zu kämpfen – und anfängt, zu verstehen, was das Nervensystem einem mitteilen will. Diese Symptome sind keine Feinde, sie sind Signale. Mein Körper war nicht kaputt, er hat mich geschützt – nach Jahren des Dauerstresses. Diese Erkenntnis war einer der schwierigsten Schritte auf meinem Weg.
Ich musste das immer wieder neu lernen. Selbst wenn ich Fortschritte gemacht hatte, kam der Widerstand in anderer Form zurück. Jedes Mal habe ich mich daran erinnert: Das ist normal. Und jedes Mal, wenn ich meine Haltung verändern konnte – weg vom Widerstand, hin zu Akzeptanz und Dankbarkeit – wurde alles leichter.
Warum also gegen etwas kämpfen, das einem eigentlich helfen will? Ich weiß aus Erfahrung, dass sich chronische Erschöpfung nicht so anfühlt, als würde dein Nervensystem dir einen Gefallen tun. Oft fühlt es sich an, als würde der Körper einem Streiche spielen, und man versteht nicht, warum. Heute versuche ich, meinen Widerstand als normalen Teil des Prozesses zu sehen.
Wenn Selbstfürsorge zur To-do-Liste wird
Für mich war Selbstfürsorge lange einfach nur etwas, das ich „machen musste“. Ich konnte es nicht genießen. Es fühlte sich an wie eine Pflicht, nicht wie etwas Schönes. Aber wie soll man sich wirklich entspannen, wenn man das, was einem guttut, innerlich ablehnt?
Als ich meine Haltung änderte, veränderte sich alles. Statt zu denken „Ich hasse das, es nervt“, begann ich zu spüren: „Wow, ich habe all diese wunderbaren Werkzeuge, um gut für mich zu sorgen.“ Ich konnte Zustände von Ruhe und Leichtigkeit erreichen, die ich vorher gar nicht kannte. Aus Pflicht wurde Dankbarkeit.
Heute, wenn ich Widerstände spüre, kämpfe ich nicht mehr gegen sie an. Ich nehme sie wahr und versuche, sie anzunehmen, auch wenn es schwer fällt. Diese Änderung meiner Einstellung von Widerstand hin zu Akzeptanz und Dankbarkeit ist das, was mich heilen lässt.

